HW-A-004 - Über die unterschiedliche Auslegung von Forentexten

 

verfasst 2013 - geändert am 16.01.2013

 

In meinem Beitrag HW-A-003 - „Sozialverhalten und Teamgeist im Wehrdienst“ habe ich versucht, einem Kritiker meinen Hinweis auf die Wehrpflicht als Ort von Sozialverhalten, Teamgeist und Outdoorerfahrung zu erklären. Dabei machte ich ausdrücklich deutlich, dass ich mich auf meine eigenen Erfahrungen bei der Bundeswehr beziehe nicht auf die Volksarmee der ehemaligen DDR! Ich wies auch darauf hin, dass es dabei um eine Erklärung sozialen Missverhaltens in einem anderen Zusammenhang ging, als nur um das reine Soldatentum.

 

In einer Privatnachricht hat er nun seine Kritik konkretisiert und sich ausschließlich auf die Erkenntnisse und auf Erzählungen aus der Volksarmee gestützt. Leider ging er an dem Thema vorbei,in dem ich den Vergleich mit dem Wehrdiesnst verwandt hatte. Ich versuchte nochmals die wichtigsten Punkte zusammenzustellen und ergänzte sie mit den Problemen der unterschiedlichen Auffassungen und Auslegungen zu dem Beitrag HW-A-002 - „Eine kritische Betrachtung zum Missbrauch von Hartz 4 - oder die unterschiedliche Interpretation eines sehr einfachen Textes“. Ich habe bei diesem Artikel etwas weiter ausgeholt, weil mir das soziale Verhalten der heutigen Jugend, die demnächst Deutschlands Elite bilden wird, sehr am Herzen liegt und ich vermeiden möchte, dass auch bei uns amerikanische Verhältnisse mit der Zweiklassengesllschaft einkehren.

 

Meine Antwort an das Forumsmitglied ist hier nachzulesen, weitgehendst wortgetreu:

 

... Was Du über den Wehrdienst schreibst, kann ich vollkommen nachvollziehen, insbesondere, wenn ich von der Situation der ehemaligen DDR ausgehe, auf die Du Dich vermutlich beziehst.

 

Mir geht es bei den Hinweisen auf die Wehrpflicht in meinen Beiträgen aber nicht um die soldatische Ausbildung (Bis auf die Kenntnisse im Outdoorbereich, die man, soweit Interesse bestanden hat, recht gut erarbeiten hat können.), den Drill und um die Erziehung des Soldaten zu einem gehorsamen Staatsdiener. Was den militärischen Bereich betrifft, bin ich sogar weitgehend Deiner Meinung.

 

Als ich zu Studieren begonnen habe (1969) bin ich auch auf Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und zuvor als Lehrling gegen die deutschen Notstandsgesetze gewesen. Ja, ich habe damals mit der Friedensbewegung sympathisiert, und wir haben uns sehr wohl mit den politischen Veränderungen auseinandergesetzt, die durch die beiden Großmächte in Ost und West eingeleitet worden sind und die die ganze Welt verändert haben. Wir waren keineswegs mit der Politik der Waffen einverstanden, so wie es die USA zum Machterhalt und zur Sicherung ihrer Ressourcen (Rohstoffe) praktiziert haben und es heute mit „Stellvertreterkriegen“ leider immer noch tun.

 

Gleichzeitig habe ich aber auch das Survial Manual der US Air Force gelesen, weil ich mich früher schon mit dem Thema „Überleben“ beschäftigt habe. Und warum? Weil es zu dieser Zeit nahezu die einzige schriftliche Quelle war, etwas über das Überleben in der Natur zu erfahren. Die meisten später aufgelegten zivilen Veröffentlichungen zum Survival sind von diesem Manual abgeschrieben und sogar teilweise die Abbildungen übernommen gewesen. In jener Zeit habe ich nur sehr wenige individuell geschriebene Bücher zum Leben in der Natur oder in extremen Situationen gefunden. Meist waren es ältere Reisebeschreibungen wie zum Beispiel Fridtjof Nansens „Eskimoleben“ oder die Bücher von Hannes Lindemann, Hans-Otto Meissner, Herbert Rittlinger usw.

 

Wie ich bereits in meinem Beitrag in den Outdoorseiten geäußert habe, möchte ich nicht über den „Sinn und Unsinn“ von der Bundeswehr oder dem Wehrdienst im Allgemeinen diskutieren, das gehört nicht zu einem Outdoorforum. Mir geht es ausschließlich um das erste Zusammenleben einer Gruppe von jungen Leuten untereinander. Ich hätte ebenso als Beispiel ein Waisenhaus oder ein Internat aufführen können. Allerdings können dahinter nur die wenigsten blicken und die Zusammenhänge verstehen. So habe ich als Erklärung den Wehrdienst gewählt, weil sich hier sehr viele hineindenken können und weil er,zumindest im Westen Deutschlands, für die meisten jungen Leute der erste direkte Kontakt mit anderen Menschen gewesen ist, auf engstem Raum eine gewisse Zeit verbringen zu müssen, sich also im Miteinander, sozial zu verhalten.

 

Ich weiß natürlich nicht, wie sich in der ehemaligen DDR eine Gruppe junger Leute in einer Stube zusammengerauft haben und ich habe auch keine Ahnung, was den Jungs in der Volksarmee während der Geländeausbildung und beim Umwelt- und Naturschutz alles beigebracht worden ist. Ich kann nur meine Erfahrung aus meiner Bundeswehrzeit beisteuern. Die war für mich eine große Quelle an Informationen, weil ich mich für Survival interessiert habe und insbesondere in den Bereichen Orientierung und Lagerleben, Wissenslücken schließen konnte. Die harte, menschenverachtende Ausbildung, wie Du sie schilderst, habe ich bei der Bundeswehr nicht kennengelernt. Meine härteste Erfahrung beim Bund habe ich in der ersten Nacht bei den Winterübungen gemacht. Da habe ich regelrecht gefroren! Daraufhin habe ich den Gruppenführern alles Nötige abgeschaut, was wichtig war, die weiteren Nächte weitgehendst angenehm, auch bei Frost, mit der üblichen Militärausrüstung zu überstehen. Das war für mich reines Survival-Taining, mehr nicht.

 

Bei mit hat sich die Erfahrung herauskristallisiert, dass viele die so ein „Gemeinschaftsleben“ nicht durchgemacht, im späteren Beruf, insbesondere bei der Menschenführung, ziemlich versagt haben. Je höher einige dieser „Drückeberger“, die der „Wehrgerechtigkeit“, auf welche Weise auch immer, entkommen sind, die gesellschaftliche und berufliche Leiter erklommen haben ( Zum Beispiel durch Studium oder schlimmstenfalls als Protegés irgendwelcher Größen in einem Unternehmen oder in der Politik und die dabei auch nicht immer zu den Klügsten gehört haben.), desto schlimmer wüteten sie als Führungskräfte in „ihren“ Firmen. Das gilt nicht für die überzeugten Pazifisten, die den zeitlich wesentlich längeren Ersatzdienst abgeleistet haben, wie zum Beispiel mein Sohn!

 

Den von Dir herausgestellten Aspekt der „sozialen Isolierung“ habe ich weder bei der Bundeswehr, als eine „zivilere Variante der Wechselwirkung von Befehl und Gehorsam“, noch beim Zivildienst feststellen können. Selbst die „Drückeberger“, die sogar der Wehrgerechtigkeit ausgekommen sind, haben mit ihrem nicht gerade kameradschaftlichen Verhalten geprahlt und haben da bereits ihren Egoismus gezeigt und haben einen Einblick in ihr künftiges Führungsverhalten gegeben. Fairerweise muss ich allerdings zugestehen, war dieser Personenkreis sowohl bei den Wehrdienst- als auch bei den Zivildienstpflichtigen „unten durch“, weil die sich einen nicht geringen finanziellen und beruflichen (Schnellere Ausstiegschancen durch längere Betriebszugehörigkeit - trotz Beamtengesetz auch beim Staat selbst!) Vorteile verschafft haben. Vielleicht hängt das auch mit der geringeren Akzeptanz dieser Leute in einem Betrieb zusammen. Ich möchte das nicht ausschließen.

 

Natürlich gibt es auch bei den Führungskräften hervorragende Leute, die nicht beim „Bund“ waren. Jedem Vorgesetzten, der das nötige Charisma besitzt und seine Argumente überzeugend herüberbringt, wird man auch widerspruchslos folgen. Da muss keine Anordnung groß diskutiert werden. In kritischen Fällen, hat dann dieser Vorgesetzte seine Mitarbeiter in Schutz genommen und auch die Verantwortung für seine Weisung übernommen. Das sind aber meist Ausnahmen gewesen! Ist ein Projekt erfolgreich verlaufen, heften sich die meist jungen Projektleiter das Lob an ihr Revers. Ist es durchgefallen, hat der Verantwortliche die Schuld gnadenlos bei den Untergebenen gesucht. Das habe ich als Beschwerdebearbeiter hautnah mitbekommen! Auch meine Frau hat das erst kürzlich bestätigt, als ihre neue Vorgesetzte,eine junge, völlig unerfahrene Akademikerin aber mit einem recht flotten Mundwerk und sehr selbstsicherem, ja schon arrogantem Auftreten (Idealvoraussetzungen einer Blenderin), mit ihren Ergebnissen in den oberen Etagen zum Hausieren gegangen ist, um Eindruck zu schinden. Die hat nur auf sich selbst geschaut!  

 

Deinem letzten Punkt über die Gruppendynamik (Orchester) und wie Du damit verfährst, stimme ich zu. Allerdings haben aber diejenigen, die zwar im Orchester (weil es zum Beispiel sehr berühmt ist) aus egoistischen Gründen unbedingt mitspielen wollen, sich aber nicht in das „Team“ einbinden können, die allergrößten Schwierigkeiten, dort auch zu verbleiben. Das passiert in einem Betrieb, in dem sich ein Günstling eines Gesellschafters festgesetzt hat, aber nicht. Der bleibt, solange die schützende Hand über ihn gehalten wird.

 

Ähnliches habe ich bei den Stellenbewerbern für Führungsaufgaben gesehen, die in ihren Unterlagen, direkt nach dem Studium auf eine berufliche Tätigkeit bei einem renommierten deutschen Unternehmensberater verwiesen haben. Solche Leute habe ich zuvor einmal auf einem Lehrgang über Qualitätsmanagement als Vortragende kennengelernt, den diese Consulting-Firma in unseren Niederlassungen für teures Geld abgehalten hat und weiß jetzt, was ich von solchen „Pfeifen“ halten muss. Dass sich ihr Chef, als persönlicher Berater der Bundesregierung während der Bankenkrise, dann nach dem Desaster und Sturz der Lehmannbrüder stillschweigend und unauffindbar in sein Loch verkrochen hat, ist ja nur zu verständlich. Ich glaube, die Medien hätten da ein paar sehr kritische Fragen zu seinen Sanierungsempfehlungen an die Regierung gehabt.

 

Du schreibst: „Ich persönlich beobachte das „militärische Denken und Handeln“ auch in Politik und Wirtschaft mit Sorge. Es verhindert das, was uns alle als Menschen verbindet, unsere Fähigkeit zur Empathie.“ Ja, leider ist es so! Reichtum und Macht sind die Triebfedern der Entwicklung beim Menschen. Da sind ausgefahrene Ellbogen wichtiger, als die Rücksichtnahme auf sozial schwächere Mitglieder unserer Gesellschaft. Das soziale Umfeld geht dabei zu Bruch! Das rote China hat einmal versucht, das zu verhindern und alle Studierwilligen vor dem Studium für ein Jahr auf das Land und in die Fabrik zum Arbeitsdienst geschickt, damit sie das Leben an der Basis lernen, miterleben und Verständnis dafür entwickeln sollten, um dann später als Führungskräfte für Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen zu sorgen. Leider ist dieses Projekt wegen der menschlichen Unvernunft und dem Egoismus des Einzelnen fehlgeschlagen.

 

Scheinbar sind die Begriffe „Hartz 4“ und „Wehrdienst“ Reizworte, über die man sehr leicht kontrovers diskutieren kann. Allerdings bin ich der Meinung, jeder Kritiker sollte die Begriffe im Kontext sehen und nicht aus dem Zusammenhang reißen, wie es aber in Foren leider sehr oft passiert. Ich habe diese beiden Begriffe nur erwähnt, um bestimmte menschliche Verhaltensweisen in einem gänzlich anderen Zusammenhang zu erklären.

 

Eigentlich ist es ein gewaltiger Missstand, wenn unfähige Personen in Politik, Handel, Industrie und Banken an den Schalthebeln der Macht sitzen, nur ihren eigenen Profit und den ihrer Sponsoren sehen und nicht das Gesamtwohl des Volkes vor Augen haben. Vielleicht täte diesem Personenkreis vor ihrem Studium oder dem Eintritt in eine Firma einmal wirklich gut, ein Jahr lang an der Basis zu werkeln oder in einem Sozialdienst zu arbeiten, damit diese zukünftigen Führungskräfte wissen, die es da unten aussieht und zugeht. Aber das dürfte von mir ein Wunschdenken bleiben.

 

Umgekehrt sehe ich das ebenso, wenn auf der anderen Seite der sozialen Leiter, sich ebenfalls eine relativ große Gruppe herausbildet, die bereits seit mehreren Generationen von Hartz 4 lebt und sich dort recht gemütlich eingerichtet hat, also dem verpönten Ausdruck „soziale Hängematte“vollkommen gerecht wird. Allerdings akzeptiere ich nicht die lockeren Kommentare mancher User, die den reinen „Missbrauch von Hartz 4“ durch Arbeitgeber und -nehmer, den ich ausschließlich angeprangert habe, mehr oder weniger verteidigen. Wohlgemerkt, ich habe nichts gegen Hartz 4, wenn der Sozialdienst für den Zweck verwendet wird, für den er auch geschaffen worden ist.

 

Vielleicht haben wir beide auch nur aneinander vorbeigeredet, jeder nur seine eigene Perspektive gesehen und verfolgt. Ich habe den Wehrdienst angesprochen, um das, zumindest im Westen erstmalige „soziale“ Abschleifen der Menschen untereinander zu beschreiben. Du hast den Wehrdienst als das gesehen, was er in Wirklichkeit ist, die Erziehung des Menschen zum Soldaten, um die Herrschaft aufrecht zu erhalten - heute sogar auch im Inneren Deutschlands. Da heißt es aber nicht Aufrechterhaltung der Herrschaft, sondern der „Innere Ordnung“ und zielt vorbeugend auf mögliche Ausschreitungen in naher Zukunft ab, wenn es wirklich zu der prophezeiten echten Weltwirtschaftskrise kommen sollte.

 

Wenn dem Staat einmal das Geld für die sozialen Dienste ausgeht, so wie sie jetzt angeboten werden, gibt es eigentlich nur zwei Optionen. Die eine ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns mit all seinen negativen Konsequenzen für den Standort Deutschland mit vermutlich noch viel mehr Arbeitslosen, wenn Betriebe ihre Produktion ins Ausland verlagern. Die andere Möglichkeit besteht in der Reduzierung der Sozialleistungen, damit die „Sozialhilfeempfänger“ gezwungen werden, für noch weniger Geld einer Arbeit nachgehen zu müssen, um überhaupt überleben zu können. Gleichgültig zu welcher Entscheidung sich dann eine amtierende Regierung bei einem solchen Szenario durchringt - mit möglichen Unruhen ist bei beiden Varianten zu rechnen und für einen dritten, gangbaren krisenfreien Ausweg dürfte der Zug bereits abgefahren sein. Wir hoffen alle auf ein Wunder und hören in Wirklichkeit nur auf das einlullende Geschwätz, was uns die Altvorderen vorgauklen.

 

Wie Du, bin auch ich überzeugt, dass unsere beiden Familien so eine Krise wesentlich leichter überstehen können, weil wir durch unser Leben auf dem Lande eine andere, realistisch/pragmatische Einstellung zu unserem Dasein gewohnt sind. Auch meine Eltern haben das gekonnt, sind sie nach dem Krieg als Vertriebe aus dem Sudetenland in der Holledau gestrandet und dort sesshaft geworden. Das war auch der Grund, warum ich unser kleines Häuschen in der Holledau nicht verkauft habe, als ich berufsbedingt nach München ziehen habe müssen, obwohl es mir von vielen Seiten angeraten worden ist. So steht in schlechten Zeiten meiner Familie immer noch ein kleines Refugium zur Verfügung. Handwerklich einigermaßen begabt, habe ich auch mit der Instandsetzung keine unüberwindbare Schwierigkeiten, zumindest was Maurer-, Zimmerer-. Schreiner-, Elektro-, Klempner-Arbeiten und den Gartenbau anbelangt. Sind halt alles freiwillig erlernte Tätigkeiten,die man so zum Überleben (nicht nur in der Wildnis) braucht!

 

Wenn in Deutschland einmal alle Krippenplätze (Kita) eingerichtet sind, werden wir ja sehen, wohin eine staatlich gelenkte Kindererziehung führen wird. Da hat sich Mutti Merkel wohl an ihre Kinder- und Jugendzeit erinnert ...